Megastädte sind ein Nährboden für die vielfältigsten (Rück-)Versicherungsschäden.
Loading ...
Allgemein gelten Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern als sogenannte "Megastädte". Häufig wird alternativ auch der Begriff "Metropolregion" verwendet, der die Metropole, die umliegenden Vororte sowie den angrenzenden ländlichen Raum umfasst.
Während 1950 nur etwa 30 % der Weltbevölkerung in Städten lebten, sind es heute etwa 57 %, und es wird erwartet, dass diese Zahl bis 2050 auf 68 % ansteigt. Laut UNO-Angaben lebte im Jahr 2007 zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Mehrheit der Menschen in Städten, viele davon in Megastädten und ihren weitreichenden Vororten. Laut aktuellen Berechnungen dürfte die Verstädterung in den Industrieländern in den kommenden 20 Jahren nur langsam fortschreiten, während in den Entwicklungs- und Schwellenländern Städte beinahe das gesamte Wachstum der Weltbevölkerung bis 2030 werden aufnehmen müssen. Diese Entwicklung wird vor allem von Indien, China und Nigeria vorangetrieben. Auf diese Länder wird wahrscheinlich ein Drittel des weltweiten Urbanisierungstrends entfallen. Delhi wird voraussichtlich um das Jahr 2028 die bevölkerungsreichste Stadt der Welt werden und damit Tokio überholen, das eine sinkende Bevölkerungszahl aufweist.
Die ungebrochene Tendenz zum Wachstum in den Metropolregionen bringt mehrere Probleme mit sich, die die lokale Infrastruktur leicht überlasten kann. Vor allem wächst der Bedarf an Lebensmitteln, Trinkwasser, Energie und Wohnraum. Begrenzter Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und öffentlichen Transportmitteln sind nur einige der weiteren Aspekte, die die Vielschichtigkeit der Folgen des unbegrenzten Bevölkerungswachstums ausmachen.
Es ist allgemein bekannt, dass vor allem in den Schwellenländern viele der genannten Probleme noch nicht gelöst sind und bereits zu schwerwiegenden nachteiligen sozialen und wirtschaftlichen Folgen für weite Bevölkerungsteile führen. Wegen des Tempos des Bevölkerungswachstums sind wesentliche Verbesserungen in nächster Zukunft nicht zu erwarten.
Megastadttypische Schadenkomplexe können vor allem vier Versicherungssparten betreffen:
Im Falle von technologiebedingten Katastrophen müssten die Versicherungsunternehmen insbesondere für Personen- und Umweltschäden Ersatz leisten. Während Personenschäden durch die Produkthaftpflichtversicherung gedeckt sind, sind Umweltschäden unter Umwelthaftpflichtpolicen zu erstatten. Aus der historischen Perspektive dürfte das größte Risiko für Explosionen und/oder Brandkatastrophen von Chemieanlagen ausgehen (z. B. Seveso 1976, Bhopal 1984, Sandoz-Brand Basel 1986).
Naturkatastrophen aber auch Terrorismusrisiken sind im Allgemeinen unter Lebens-, Kranken- und Unfallversicherungen abgedeckt. Hohe Expositionen bestehen auch bei kerntechnischen Risiken, Feuer- und Explosionsschäden sowie Verkehrsunfällen, insbesondere Luftfahrt- oder Zugkatastrophen. Seuchenausbrüche wie Epidemien oder Pandemien stellen ein weiteres Risiko in der Lebens- und Krankenversicherung dar, da regional oder global ausbrechende Infektionskrankheiten Millionen Leben gleichzeitig betreffen können.
Sachversicherungsdeckungen können nach Naturkatastrophen, katastrophalen technischen Störfällen oder Terroranschlägen in Anspruch genommen werden. Da die versicherten Sachwerte in großstädtischen Bereichen in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen haben, besteht ein beträchtliches Kumulrisiko für Sachversicherer. Wegen des begrenzten Platzangebots hält der Trend zum Hochhausbau ungebrochen an. Komplexe Baustellen erhöhen die Risiken im Hoch- und Tiefbau.
Signifikante Betriebsunterbrechungsschäden sind nach Natur- und technologiebedingten Katastrophen oder Seuchen zu erwarten. Betriebsunterbrechungsschäden waren eine der wichtigsten Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auf die (Rück-)Versicherungswirtschaft. Transportkatastrophen (Zugzusammenstöße, Flugzeugabstürze) gehen zu Lasten der entsprechenden Policen in Transport oder Luftfahrt. Bei diesen Policen besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko bezüglich Naturkatastrophen oder Terroranschlägen. Zum Beispiel kann ein Seebeben auf künstlichen Inseln erbaute Flughäfen wie Tokio (Haneda) oder Osaka (Kansai) treffen. Der Tsunami in Japan im März 2011 setzte den Flughafen Sendai binnen Minuten unter Wasser.